Vor 60 Jahren:
Letztes Endspiel um die deutsche Meisterschaft: BVB – 1. FC Köln 3:1
Am 29. Juni 1963, also vor nunmehr 60 Jahren, wird der Titel des deutschen Fußballmeisters zum letzten Mal in einem echten Finale vergeben, denn ab der Saison 1963/64 wird die neu gegründete „Bundesliga“ die bisherigen fünf Oberligen (Nord, West, Süd, Südwest und [West-]Berlin) ersetzen. Im Stuttgarter Neckarstadion stehen sich dabei vor 75.000 Zuschauern der amtierende Deutsche Meister 1. FC Köln und Borussia Dortmund gegenüber.
Die favorisierten Kölner (Meister der Oberliga West) erreichten das Endspiel als Sieger der Endrundengruppe 1 (Gegner dort: Süd-Vizemeister 1. FC Nürnberg, Berlin-Meister Hertha BSC und Südwest-Meister 1. FC Kaiserslautern). West-Vizemeister Borussia Dortmund qualifizierte sich für das Finale durch Platz eins in Endrundengruppe 2 (Gegner: Süd-Meister München 1860, Südwest-Vizemeister Borussia Neunkirchen und Nord-Meister Hamburger SV).
Bereits nach neun Minuten gelingt „Hoppy“ Kurrat aus 22 Metern das 1:0 für die Dortmunder, wobei Kölns Torhüter Fritz Ewert nicht allzu gut aussieht; bei diesem Spielstand bleibt es bis zur Halbzeit. Nach der Pause erhöhen Reinhold Wosab (57. Minute, 17-Meter-Schuss) und „Aki“ Schmidt (65. Minute, Schuss aus ca. 8 Metern Entfernung) auf 3:0. Den Ehrentreffer für die Kölner erzielt Nationalverteidiger Karl-Heinz Schnellinger in der 74. Minute. Letztlich ist der BVB-Finalsieg – der dritte nach 1956 und 1957 – völlig verdient. Bis zum ersten Dortmunder Meistertitel in der Bundesliga wird es 32 Jahre dauern.
Das BVB-Meister-Team: Bernhard Wessel, Wilhelm Burgsmüller, Lothar Geisler, Helmut Bracht, Wolfgang Paul, Dieter Kurrat, Reinhold Wosab, Alfred Schmidt, Jürgen Schütz, Friedhelm Konietzka, Gerd Cyliax; Trainer: Hermann Eppenhoff Die Kölner Final-Aufstellung: Fritz Ewert, Fritz Pott, Karl-Heinz Schnellinger, Helmut Benthaus, Leo Wilden, Hans Sturm, Karl-Heinz Thielen, Hans Schäfer, Anton Regh, Karl-Heinz Ripkens, Heinz Hornig, Trainer: Zlatko Cajkovski
Vor 65 Jahren:
1:3 – deutsches Halbfinal-Aus gegen WM-Gastgeber Schweden
Bei der Fußball-WM 1958 trifft Titelverteidiger Deutschland nach den Gruppenspielen gegen Argentinien (3:1), die CSSR und Nordirland (jeweils 2:2) sowie dem Viertelfinale gegen Jugoslawien (1:0) am 24. Juni 1958 im Halbfinale auf Gastgeber Schweden. Vier der im Göteborger Ullevi-Stadion von Sepp Herberger aufs Feld geschickten deutschen Spieler (Horst Eckel, Helmut Rahn, Hans Schäfer und der mittlerweile 37-jährige Fritz Walter) haben vier Jahre zuvor im mit 3:2 gewonnenen WM-Finale gegen Ungarn gestanden.
Zur schwedischen Mannschaft gehören fünf sogenannte „Legionäre“ (Hamrin, Gren, Gustavsson, Skoglund und Liedholm sind Profis in Italien), was Teile der deutschen Presse im Vorfeld des Spiels nicht gerade freundlich („Fußballsöldner“) kommentieren. Schwedische Blätter rufen hingegen Erinnerungen an den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg wach, der erst 13 Jahre zuvor endete, und sprechen von den „deutschen Tanks, die alles niederwalzen“, von „Knochenbrechern“ und „Kriegsfußballern“, so dass die Stimmung rund um das Spiel von Anfang an aufgeheizt ist. Gesteigert wird die aggressive Atmosphäre im Hexenkessel von Göteborg noch durch vier schwedische „Einpeitscher“, die ungewöhnlicherweise im Stadion-Innenraum (in jeder Kurve einer) Stellung beziehen dürfen. Diese Männer – mit blaugelben Fahnen und Megafonen ausgerüstet – heizen die schwedischen Zuschauer mit lauten “Heja, heja, heja“-Rufen an und dirigieren die ohrenbetäubenden Sprechchöre. Fritz Walter sagt später: „Ich kann mich beim besten Willen an kein Länderspiel erinnern, bei dem schon vor dem Anpfiff eine so hochexplosive Atmosphäre geherrscht hat“.
Die Schweden starten vor 50.000 Zuschauern – darunter ca. 2.000 Deutsche – furios, dennoch gelingt dem deutschen Mannschaftskapitän Hans Schäfer in der 24. Minute nach einer Uwe-Seeler-Flanke das 1:0 für Deutschland. Nur 10 Minuten später markiert Lennart „Nacka“ Skoglund für die Schweden das 1:1. Die Deutschen reklamieren ein angeblich vorausgegangenes Handspiel von Liedholm, Schiedsrichter Zsolt erkennt das Tor aber an. Bis zur Pause fällt kein weiterer Treffer. In der 59. Minute kommt es zu einem Gerangel zwischen Erich Juskowiak und seinem trickreichen Gegenspieler Kurt „Kurre“ Hamrin, mit dem der deutsche Verteidiger von Beginn an nur schwer zurechtkommt. Nach einem Tritt von Hamrin gegen Juskowiak attackiert der Düsseldorfer in einer Art Reflexbewegung den schwedischen Stürmer, der sich daraufhin theatralisch am Boden wälzt. Der Schiedsrichter verweist den konsternierten Juskowiak des Feldes. Da er sich zunächst weigert, den Platz zu verlassen, eskortieren ihn schließlich Fritz Walter und Hans Schäfer zur deutschen Bank.
15 Minuten später folgt der nächste Aufreger: Der Schwede Parling foult Fritz Walter so heftig, dass dieser am Knöchel verletzt wird und lange behandelt werden muss. Zwar kehrt Fritz Walter noch einmal humpelnd auf das Spielfeld zurück, er ist jedoch nur noch Statist und kann nicht mehr ernsthaft am Spielgeschehen teilnehmen (Auswechslungen sind noch nicht gestattet). In der 81. Minute gelingt Gunnar Gren die schwedische 2:1-Führung gegen die dezimierten Deutschen, das Tor zum Endstand von 3:1 markiert Kurt Hamrin zwei Minuten vor Schluss nach einem spektakulären Dribbling, bei dem er drei deutsche Verteidiger umspielt.
Die Schweden ziehen damit ins Finale gegen Brasilien ein. Das Endspiel in Stockholm am 29. Juni 1958 gewinnen die Brasilianer (u.a. mit Pele, Garrincha, Didi und Vava) klar mit 5:2 (Halbzeit: 2:1). Es ist ihr erster von mittlerweile fünf Weltmeistertiteln.
Deutschland beendet das Turnier als Vierter, denn im Spiel um Platz 3 unterliegt die mit diversen Ersatzspielern angetretene deutsche Elf den Franzosen mit 3:6 (Halbzeit: 1:3). Vier der sechs französischen Tore schießt Just Fontaine, der mit der Rekordzahl von insgesamt 13 Turniertreffern WM-Torschützenkönig wird.
In der Bundesrepublik wird das gegen Schweden verlorene Halbfinalspiel in den Tagen danach in überzogener, teils nationalistischer Weise kommentiert, den Schweden grobe Unfairness vorgeworfen und der ungarische Schiedsrichter verdächtigt, er habe die Schweden bevorteilt, weil er die Finalniederlage der Ungarn gegen Deutschland bei der WM 1954 habe „rächen“ wollen. Leider tut sich bei diesem wenig diplomatischen Verhalten auch DFB-Präsident Pecco Bauwens unrühmlich hervor.
Die deutsche Halbfinal-Aufstellung: Fritz Herkenrath (Rot-Weiß Essen), Georg Stollenwerk (1. FC Köln), Erich Juskowiak (Fortuna Düsseldorf), Horst Eckel (1. FC Kaiserslautern), Herbert Erhardt (SpVgg Fürth), Horst Szymaniak (Wuppertaler SV), Helmut Rahn (Rot-Weiß Essen), Fritz Walter (1. FC Kaiserslautern), Uwe Seeler (Hamburger SV), Hans Schäfer (1. FC Köln), Hans Cieslarczyk (SV Sodingen), Trainer: Sepp Herberger.
Bild rechts: Die 54er Weltmeister Fritz Walter (links) und Hans Schäfer (rechts) führen den vom ungarischen Schiedsrichter Zsolt des Feldes verwiesenen Erich Juskowiak (mitte) vom Platz. (Foto aus dem Buch von Fritz Walter: „So war es – Fussball Weltmeisterschaft in Schweden“; 1958, S. 169)
Norbert Voshaar [Lit.: Fritz Walter: „So war es – Fussball Weltmeisterschaft in Schweden“ (1958) / Süddeutsche Zeitung: „WM-Bibliothek – Schweden 1958“ (2005) / Kicker-Almanach 2023 (2022) /Wikipedia]