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Folge 24 – April 2023

Old Soccer ball on the green grass, top view

Vor 75 Jahren:

Welt- und Europameister Georg „Katsche“ Schwarzenbeck geboren

Es gibt in Deutschland nur sehr wenige Fußballspieler, die so viele wichtige Titel gewonnen haben wie Hans Georg Schwarzenbeck, den seit seiner Kindheit alle nur „Katsche“ nennen. Es gibt allerdings auch nur wenige solch erfolgreiche Spieler, die nach ihrer aktiven Zeit so konsequent aus dem Rampenlicht herausgetreten sind wie er, der am 3. April 1948 in München (wo auch sonst?) geboren wurde und jetzt 75 Jahre alt wird.

Georg Schwarzenbeck – immer ruhig, bescheiden und sachlich – strebte nach dem verletzungsbedingten Ende seiner Laufbahn keinerlei öffentlichkeitswirksame Posten im Fußballgeschäft an, sondern übernahm den Schreibwarenladen seiner Tanten Frieda und Maria und führte diesen mit der ihm eigenen Zuverlässigkeit 28 Jahre lang weiter. Der FC Bayern, den er mit Schreib- und Büromaterial versorgte, war dabei sein wichtigster Kunde. 

1961 war er von den Sportfreunden München zum FC Bayern gewechselt. Am 8. Oktober 1966 bestritt der 18jährige Buchdrucker-Lehrling, der im Alter von 14 Jahren seine Mutter verlor, sein erstes Bundesligaspiel. 13 Jahre später, zu Beginn der Saison 1979/80, war er an den ersten beiden Spieltagen immer noch dabei, dann machte ihm eine langwierige Achillessehnenverletzung die Fortsetzung der Karriere unmöglich. Bei seinen insgesamt 416 Bundesligapartien für die Bayern stand er 415mal (!) in der Startelf. In all diesen Spielen sah er niemals die rote Karte.

Zwischen seinem ersten und seinem letzten Spiel für die Bayern holte er, der ein Muster an Beständigkeit und Einsatzfreude war, mit seinem Klub und mit der deutschen Nationalmannschaft fast alle Titel, die man gewinnen kann. Dabei fungierte er zumeist als „Ausputzer“ von „Kaiser“ Franz Beckenbauer, bis dieser 1977 zu Cosmos New York wechselte (es kursierte seinerzeit ein Spruch mit einem wahren Kern – und dieser Spruch unterstrich Schwarzenbecks Wichtigkeit für den FCB, auch wenn er kein Filigrantechniker gewesen sein mag -, er lautete wie folgt: „Wenn’s brenzlig wird, dann kommt der Katsche und hilft dem Kaiser aus der Patsche“). 

Der erste Titelgewinn, bei dem „Katsche“ Schwarzenbeck dabei ist, ist der Pokalsieg des FC Bayern im Jahr 1967 (4:0 wird im Endspiel der HSV geschlagen). 1969 gelingt das Double mit den Bayern (man wird erstmals Bundesligameister und verteidigt zudem den DFB-Pokal durch einen 2:1- Finalsieg gegen Schalke 04). Am 12. Juni 1971 bestreitet Vorstopper Schwarzenbeck unter Bundestrainer Helmut Schön sein erstes A-Länderspiel (beim mit 2:0 gewonnenen EM-Qualifikationsspiel gegen Albanien spielt er die kompletten 90 Minuten), eine Woche später gewinnt er mit den Bayern zum dritten Mal den DFB-Pokal (im Endspiel schlägt man den 1. FC Köln nach Verlängerung mit 2:1).

1972 wird „Katsche“ Schwarzenbeck, der sich nie dafür zu schade ist, die „Drecksarbeit“ zu verrichten, mit den Bayern deutscher Meister und mit der deutschen Nationalelf hochverdient Europameister (im EM-Endspiel in Brüssel wird die Sowjetunion mit 3:0 geschlagen). 1973 verteidigt er mit den Münchnern den Bundesligatitel.

1974 wird das Jahr seines (Fußballer-)Lebens, denn Georg Schwarzenbeck gewinnt innerhalb von nicht einmal zwei Monaten gleich drei Titel: Zunächst holt er mit den Bayern den Europapokal der Landesmeister sowie die dritte deutsche Meisterschaft in Folge, dann wird er mit der deutschen Nationalelf Weltmeister! Vor allem Georg Schwarzenbecks Anteil am ersten Meistercup-Sieg seiner Bayern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn als es am 15. Mai 1974 im Brüsseler Finale gegen Atletico Madrid kurz vor Schluss der Verlängerung – man schreibt bereits die 120. Minute – aus Sicht der Münchner 0:1 steht, fasst sich Kämpfernatur Georg Schwarzenbeck ein Herz und besorgt mit einem 25-Meter-Schuss in letzter Sekunde das 1:1, bei dem es bis zum Abpfiff bleibt. Es folgt – anders als heute – kein Elfmeterschießen, sondern es wird ein Wiederholungsspiel angesetzt. In dieser Begegnung läuft es für den FC Bayern perfekt, nach je zwei Toren von Uli Hoeneß und Gerd Müller wird der spanische Meister mit 4:0 bezwungen. Damit geht am 17. Mai 1974 der Landesmeister-Cup erstmals an eine deutsche Mannschaft.

Die absolute Karrierekrönung folgt am 7. Juli ´74 in seiner Geburtsstadt München, als Georg Schwarzenbeck mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel holt. Wie in den 6 WM-Spielen zuvor steht er auch gegen die favorisierte Mannschaft der Niederlande um Superstar Johan Cruijff in der deutschen Anfangsformation. Nach 90-minütigem Kampf kann sich „Katsche“ Schwarzenbeck (zusammen mit 5 weiteren Bayern-Spielern) im heimischen Olympiastadion als Weltmeister feiern lassen, denn das hochdramatische Finale endet 2:1 für Deutschland (die deutschen Tore schießen Paul Breitner [Elfmeter] und Gerd Müller).

Nach diesem Erfolgsjahr haben die ausgelaugten Bayern in der Bundesliga einen langen Durchhänger. Bis zum nächsten Meistertitel wird es 6 Jahre dauern.  Im Landesmeister-Cup gelingen dem FCB jedoch trotz der Schwächen im Liga-Alltag zwei weitere Titelgewinne, und Georg Schwarzenbeck ist selbstverständlich dabei: 1975 gewinnt man im Finale 2:0 gegen Leeds United, 1976 mit 1:0 gegen AS St. Etienne. Hinzu kommt Ende 1976 auch noch der Weltpokal, den die Bayern gegen den brasilianischen Südamerikameister Cruzeiro Belo Horizonte als erstes deutsches Team gewinnen.

Mit der Nationalelf holt Georg Schwarzenbeck keine weiteren Trophäen. Beim Belgrader EM-Endspiel von 1976 – Gegner ist die Tschechoslowakei – steht es nach Verlängerung 2:2, so dass ein Elfmeterschießen erforderlich wird. Dieses gewinnen die Tschechoslowaken mit 5:3. 

Zur WM 1978 in Argentinien schafft es Georg Schwarzenbeck noch einmal in den deutschen Kader, wird aber nicht eingesetzt, so dass das Länderspiel gegen England, das die deutsche Mannschaft am 22. Februar 1978 in München (wo auch sonst?) mit 2:1 gewinnt, sein 44. und letztes ist. „Katsche“ Schwarzenbeck ist seit über 50 Jahren mit Ehefrau Hannelore verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter sowie mehrere Enkelkinder.


Vor 115 Jahren:

Erstes offizielles Länderspiel einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft

Am 5. April 1908 kommt es in Basel zum ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen (Männer-)Fußball-Nationalelf. Einen Bundes- oder Reichstrainer gibt es beim DFB noch nicht. Die elf deutschen Spieler kommen aus elf verschiedenen Vereinen. Die meisten lernen sich erst auf der Bahnfahrt (die jeder Spieler selbst finanzieren muss) oder am Spielort kennen, nicht einmal ein gemeinsames Training vor dem Spiel findet statt. Die deutsche Elf unterliegt schließlich der Schweiz vor 4.000 Zuschauern (die Frauen unter ihnen bekommen jeweils eine Tafel Schokolade geschenkt) mit 3:5 (Halbzeitstand: 1:3). Das Führungstor zum 1:0 für Deutschland in der 6. Minute schießt Fritz Förderer vom Karlsruher FV, die jeweiligen Anschlusstreffer zum 2:3 bzw. 3:4 markiert Fritz Becker von den Frankfurter Kickers. Einen Rekord hat einer der damaligen Debütanten bis heute inne: Fritz Baumgärtner ist der jüngste DFB-Nationalspieler aller Zeiten. Beim Länderspiel in der Schweiz ist er erst 17 Jahre und 104 Tage alt.

Die allererste deutsche Nationalelf: Fritz Baumgarten (Berliner FC Germania 1888), Ernst Jordan (Magdeburger Fußball- und Cricket-Club Victoria), Walter Hempel (Sportfr. Leipzig), Karl Ludwig (Kölner SC 1899), Arthur Hiller (1. FC Pforzheim), Hans Weymar (FC Victoria 1895 Hamburg), Gustav Hensel (Casseler FV 95), Fritz Förderer (Karlsruher FV), Eugen Kipp (Stuttgarter Turn- und Sportfreunde), Fritz Becker (Frankfurter Kickers), Willy Baumgärtner (Düsseldorfer SV 1904)


Norbert Voshaar [Lit.: Jürgen Bitter: „Deutschlands Fußball-Nationalspieler“ (1997) / https://tribuna.com/de/blogs/dd088026-d6c9-488e-9f57-392e3088a6aa/ / Raphael Keppel: „Deutschlands Fußball-Länderspiele“ (1989) / Thomas Roth: „Die großen Spiele der deutschen Nationalelf“ (1997) / Kicker-Almanach 2023 (2022) / Wikipedia]