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Folge 55 – November 2025

Old Soccer ball on the green grass, top view

Folge 55 – November 2025

Vor 75 Jahren:

Erstes Länderspiel der Nationalelf nach dem Zweiten Weltkrieg: 1:0-Sieg gegen die Schweiz vor Rekordkulisse

Auf den Tag genau acht Jahre nach dem letzten Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft während des Zweiten Weltkriegs, dem 5:2 in der Slowakei vom 22. November 1942, darf der im September 1950 wieder in die FIFA aufgenommene DFB erstmals wieder eine Länderbegegnung ausrichten.

Zu Gast an jenem 22. November 1950 (es ist der regnerische Buß- und Bettag des Jahres) ist die Schweizer Nationalelf, die bereits nach dem Ersten Weltkrieg erster Nachkriegs-Länderspielpartner der Deutschen war. Während die deutsche Mannschaft im Sommer 1950 bei der WM in Brasilien noch nicht wieder dabei sein durfte, hatte sich die Schweiz dort durchaus achtbar aus der Affäre gezogen (sie schlug Mexiko, erreichte
gegen Gastgeber Brasilien – den späteren Vizeweltmeister – ein Unentschieden und unterlag nur Jugoslawien).

Ausgetragen wird das Match in Stuttgart, was den Schweizer Zuschauern entgegenkommt. Das Interesse an dem Spiel ist beiderseits der Grenze riesengroß, so dass sich am Ende sage und schreibe 103.000 Fans im Neckarstadion, das offiziell 80.000 Plätze hat, drängeln (in manchen Berichten ist gar von 115.000 anwesenden Zuschauern die Rede). Die Zuwege, die Parkplätze und das Stadion sind hoffnungslos überfüllt,
so dass es zu chaotischen Situationen und zahlreichen Unfällen kommt. Die Bilanz der Sanitäter nach der Partie: 23 Schwer-, 60 Mittelschwer- und 180 Leichtverletzte.

Zwei deutsche Akteure vom letzten Kriegsländerspiel sind acht Jahre später noch dabei: Bundestrainer Sepp Herberger (1942 noch „Reichstrainer“) sowie Andreas „Anderl“ Kupfer vom FC Schweinfurt 05, der die deutsche Mannschaft als Mannschaftskapitän aufs Feld führt. Für Kupfer ist es der 44. internationale Einsatz, außer ihm haben nur noch Jakob Streitle und Herbert Burdenski Länderspielerfahrung, alle anderen deutschen Spieler sind Debütanten. Fritz Walter, mit 24 Länderspielen einer der Erfahrensten, gehört zwar zum deutschen Kader, kann aber verletzungsbedingt nicht eingesetzt werden.

Vor dem Spiel erklingt allein die Schweizer Nationalhymne – die junge Bundesrepublik hat noch keine offizielle eigene Hymne. Stattdessen gibt es eine Schweigeminute, während der man der Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenkt. Reporter Richard Kirn schreibt später dazu: „Diese Minute der verstummten Massen war ergreifender als jede Hymne.“

Entscheidender Mann des Tages ist aus sportlicher Sicht Herbert Burdenski. der schon 1941 als 19-Jähriger sein erstes Länderspiel gemacht hat. Der Ur-Schalker, der mit den Knappen 1940 und 1942 die deutsche Meisterschaft gewonnen hat, mittlerweile aber zu Werder Bremen gewechselt ist, verwandelt nämlich in der 42. Minute einen Strafstoß zum goldenen Tor für das bundesdeutsche Team. Ein Schweizer Abwehrspieler hatte einen Schuss von Ottmar Walter, der mit Sicherheit ins Tor gegangen wäre, mit der Hand abgewehrt. Burdenski schilderte das Geschehen später folgendermaßen: „Es hatte Hand-Elfmeter gegeben. Zur Ausführung waren außer mir auch Ottmar Walter und Max Morlock vorgesehen. Nach einigem Hin und Her rief mir der Jackl Streitle zu: `Budde, geh nach vorn, mach du das´. Ich war als Spieler ein selbstbewusster Bursche, Nerven kannte ich nicht. Ich habe voll durchgezogen und genau rechts oben in den Winkel getroffen“. Vier Tage nach seinem historischen Siegtreffer ist Herbert Burdenskis Glück endgültig perfekt: Sein Sohn Dieter wird geboren, der es später als Torwart auf 478 Bundesligaspiele und 12 Länderspiele bringen wird.

Drei der zwölf eingesetzten deutschen Spieler – Toni Turek, Ottmar Walter und Max Morlock – gehören dreieinhalb Jahre später zur 54er WM-Siegerelf von Bern. Stürmer Fritz Balogh stirbt hingegen sieben Wochen nach dem Spiel auf tragische Weise. Er stürzt während der Rückfahrt vom Oberligaspiel seines VfL Neckarau bei Bayern München aus dem fahrenden Zug und findet dabei den Tod.

Die Erste DFB-Nachkriegsnationalelf:
Toni Turek (Fortuna Düsseldorf), Herbert Burdenski (Werder Bremen), Jakob Streitle (Bayern München), Andreas Kupfer (FC Schweinfurt 05), Gunther Baumann (1. FC Nürnberg), Karl Barufka (VfB Stuttgart) [ab 89. Minute Jupp Röhrig (1. FC Köln)], Bernie Klodt (Schalke 04), Max Morlock (1. FC Nürnberg), Ottmar Walter (1. FC Kaiserslautern), Fritz Balogh (VfL Neckarau), Richard Herrmann (FSV Frankfurt); Bundestrainer: Sepp Herberger

Norbert Voshaar

[Lit.: Hans Günter Martin: „Deutschlands Fußball macht Karriere – Spieler, Trainer, Tore seit 1945“ (1985) / Raphael Keppel: „Deutschlands Fußball-Länderspiele – Eine Dokumentation 1908-1989“ (1989) / Grafschafter Nachrichten vom 22.11.2010 / Wikipedia]