Folge 46 – Februar 2025 Teil 1
Vor 125 Jahren:
Gründung des FC Bayern München (Teil 1)
Am 27. Februar 1900, also vor nunmehr 125 Jahren, wurde ein Fußballverein gegründet, den heute jeder kennt, und zu dem jeder eine Meinung hat: Der FC Bayern München – geliebt, gehasst; beneidet, geschmäht…
Der FC Bayern hat sich in diesen 125 Jahren unzweifelhaft zum Nonplusultra des deutschen Fußballs entwickelt. Er ist heute mit 382.000 Mitgliedern der mitgliederstärkste Sportverein der Welt, ist deutscher Rekordmeister (33 Titel) sowie Rekordpokalsieger (20 Finalsiege). Er spielt am längsten ununterbrochen in der Bundesliga (seit 1965) und hat von allen deutschen Klubs die meisten internationalen Titel geholt (sechsmal den Cup der Landesmeister bzw. die Champions League, zweimal den Weltpokal, zweimal die FIFA-Klub-WM, einmal den Cup der Pokalsieger und einmal den UEFA-Cup).
Zudem stellte der FCB über die Jahre hinweg von allen deutschen Vereinen mit Abstand die meisten Spieler für die deutsche Nationalmannschaft ab. An den deutschen WM- und EM-Titeln hatten Bayern-Spieler in der Regel großen Anteil. Darüber hinaus wurden Bayern-Akteure 7mal zu „Europas Fußballer des Jahres“ (je zweimal Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge, je einmal Gerd Müller, Franck Ribery und Robert Lewandowski) und 24mal zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt (darunter viermal Franz Beckenbauer und dreimal Sepp Maier). Robert Lewandowski (wie Gerd Müller 7facher Bundesliga-Torschützenkönig, 2020/21 traf er unvorstellbare 41 Mal!) brachte es in seiner Bayern-Zeit gar zweimal zum „Weltfußballer des Jahres“.
Spielerpersönlichkeiten, die den Verein über lange Jahre geprägt haben, wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier, „Katsche“ Schwarzenbeck, Paul Breitner, Uli Hoeneß und „Bulle“ Roth, Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Augenthaler, Lothar Matthäus, Oliver Kahn oder auch Stefan Effenberg, Mehmet Scholl, Giovane Elber, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Manuel Neuer, Toni Kroos, Jerome Boateng, Arjen Robben, Franck Ribery, Bixente Lizarazu oder Robert Lewandowski, kennt jeder Fußballfreund. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist der FC Bayern München heute in Deutschland die unangefochtene Nummer eins unter den Profiklubs.
Doch wie begann das alles?
Am 27. Februar 1900 – Deutschland war noch Kaiserreich, in Bayern regierte Prinzregent Luitpold – fand im Münchner Gasthaus Bäckerhöfl eine Sitzung der 1897 gegründeten Fußballabteilung des Männer-Turn-Vereins („MTV“) München von 1879 statt. Ein Teil der Mitglieder stellte an diesem Abend den Antrag, der MTV solle dem Süddeutschen Fußballverband beitreten. Die Mehrheit der Teilnehmer stimmte jedoch gegen den Antrag. Daraufhin verließen 11 der Beitrittsbefürworter verärgert die Sitzung, begaben sich in das Weinhaus „Gisela“ und gründeten dort noch am selben Abend den „F. C. Bayern München“. Von den Gründern waren die wenigsten gebürtige Bayern oder gar Münchner. Präsident wurde der in Pritzwalk (Mecklenburg) geborene Franz John, Schriftführer der Freiburger Josef Pollack, Mannschaftskapitän der Leipziger Paul Francke; zu seinem Stellvertreter wurde der Bremer Wilhelm Focke gewählt. Von 1902 bis 1905 prägte ein Niederländer den Verein: Willem Hesselink, zum Studium nach München gekommen, fungierte 3 Jahre lang als Präsident und Spielertrainer, bevor er nach Arnheim zum von ihm mitgegründeten Verein „Vitesse“ zurückkehrte (1905 bestritt er ein Länderspiel für die Niederlande).
Beheimatet war der FC Bayern in den Münchner Künstler- und Akademiker-Stadtteilen Schwabing und Maxvorstadt, weshalb es nicht verwundert, dass sich unter den Gründern Künstler, Studenten, Kaufleute und andere Selbständige befanden. Man beschloss – ganz bürgerlich-bildungsbeflissen und ein bisschen elitär – in den Verein nur Abiturienten aufzunehmen, und wählte als Vereinsfarben die bayerischen Landesfarben Blau und Weiß.
1906 beschloss der Verein den Übertritt zum Münchner Sport-Club, behielt aber eine gewisse Eigenständigkeit, die sich in der Bezeichnung „F.A. Bayern im Münchner SC“ („F.A.“ stand für „Fußballabteilung“) ausdrückte. Infolge der Fusion trat die Mannschaft nun in weißen Hemden und roten Hosen an, die Bezeichnung „Die Roten“ war geboren. Ab 1908 war das Abitur nicht mehr Voraussetzung, um Bayern-Mitglied zu werden. Die Mitgliederzahl stieg auf über 300. 1910 nahm der FCB erstmals an der Endrunde zur süddeutschen Meisterschaft teil und belegte am Ende den 2. Platz. Im selben Jahr wurde
mit Max Gablonsky ein erster Bayern-Akteur zum deutschen Nationalspieler.
Während des 1. Weltkriegs kam der Sport zum Erliegen. Erst ab der Spielzeit 1919/20 gab es wieder einen regelmäßigen Ligabetrieb. Im Oktober 1919 traten die Bayern aus dem Münchner SC aus und fusionierten mit dem Turnverein Jahn München zum „Turn und Sportverein Jahn München„. Im Frühjahr 1924 trennten sich Turner und Fußballsportler wieder, und die Fußballer traten von nun an nur noch als eigenständiger Verein unter dem Namen „FC Bayern München“ auf.
Kurt Landauer,
Bayern-Präsident 1913 bis 1914,
1919-1921, 1922-1933
und 1947 bis 1951
(Foto: BR)
1926 wurden die Bayern zum ersten Mal Süddeutscher Meister, 1928 konnten sie diesen Erfolg wiederholen. 1932 erreichte der FCB als süddeutscher Vizemeister die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Erstmals gelang dabei der Einzug ins Endspiel. Gegner im Finale von Nürnberg war Südmeister Eintracht Frankfurt. Die Bayern um Kapitän Conny Heidkamp siegten mit 2:0 (Tore: Ossi Rohr und Franz Krumm) und waren damit erstmals Deutscher Fußballmeister. Die Freude darüber kannte keine Grenzen, in einem Kutschenkorso wurden die Spieler durch München gefahren. Beiden Endspielgegnern wurde damals übrigens von rechts-nationalistischen Kreisen das Etikett „Judenklub“ angehängt. Grund dafür war, dass auf Bayern-Seite Präsident Kurt Landauer, Trainer Richard „Little“ Dombi und Jugendobmann Otto Beer Juden waren, und dass auch bei Eintracht Frankfurt jüdische Fußballenthusiasten wichtige Funktionärspositionen innehatten. Als ein Jahr später die Nationalsozialisten an die Macht kamen, musste Kurt Landauer, der den Fußball stets als Mittel der Völkerverständigung betrachtet und schon früh ausländische Trainer verpflichtet hatte, sein Präsidentenamt aufgeben. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er für 4 Wochen ins KZ Dachau eingewiesen, danach floh er in die Schweiz und überlebte so den Krieg. Richard Dombi ging ebenfalls ins Ausland, um zu überleben. Otto Beer wurde samt Familie von den Nazis ermordet (ebenso erging es vier der fünf Geschwister von Kurt Landauer). Bis zum Ende der NS-Zeit übernahmen nun Männer die Führung des FC Bayern, die sich mit dem NS-Regime arrangierten oder es sogar unterstützten, beispielsweise der von 1938 bis 1943 als Präsident amtierende Josef Kellner, der es zum NSDAP-Gauhauptstellenleiter und zum Landrat im besetzten „Sudetengau“ brachte.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 wurden alle deutschen Sportvereine und somit auch der FC Bayern durch den Alliierten Kontrollrat aufgelöst. Die Vereine mussten vor einer Neugründung erst eine Lizenz beantragen. Nachdem man die Lizenz erhalten hatte, konnte der FCB in den Spielbetrieb der im Herbst 1945 gegründeten „Oberliga Süd“ einsteigen. 1947 kehrte Kurt Landauer nach München zurück und übernahm wieder das Präsidentenamt bei den Bayern. Nun war die Tatsache, dass er Jude war und die Kriegszeit im Exil verbracht hatte, plötzlich ein Vorteil für die Bayern, denn bei der US-amerikanischen Besatzungsmacht hegte man Landauer gegenüber selbstverständlich keinerlei Misstrauen wegen einer etwaigen NS-Belastung. Landauer nutzte sein Ansehen bei der US-Verwaltung immer wieder im Sinne seines Vereins. So gelang es ihm beispielsweise, ein Grundstück für ein neues Vereinsgelände an der Säbener Straße zu beschaffen. 1951 endete die vierte und letzte Amtsperiode Landauers, 1961 verstarb er (auf diese Weise bekam er nicht mehr mit, dass ihm 1962 auf der Position des Bayern-Präsidenten mit dem Bauunternehmer Wilhelm Neudecker ein ehemaliger SS-Angehöriger folgte). 2013 wurde Kurt Landauer posthum zum Ehrenvorsitzenden ernannt, nachdem zuvor jugendliche Bayern-Fans von der Ultra-Gruppe „Schickeria“ seine großen Verdienste dem Vergessen entrissen und öffentlich gemacht hatten.
Die Mitgliederzahlen des Vereines entwickelten sich in den Nachkriegsjahren positiv. Bald zählte der FC Bayern wieder mehr als 1000 Mitglieder. Die sportlichen Leistungen waren in diesen Jahren eher mittelmäßig. Erfreulich war, das 1954 mit Hans Bauer ein Bayern-Spieler im deutschen Kader für die WM in der Schweiz stand. Zwar spielte er beim 3:2-Finalsieg gegen Ungarn nicht, kam aber vorher zweimal zum Einsatz. 1955 stieg der FC Bayern zum ersten und einzigen Male in seiner Geschichte aus der höchsten Spielklasse ab, 1956 gelang jedoch der sofortige Wiederaufstieg. 1957 gab es erneut Anlass zum Jubel, denn erstmals gewannen die Bayern den DFB-Pokal, als sie im Finale Fortuna Düsseldorf mit 1:0 bezwangen (Tor: Rudolf Jobst).
Nachdem der FCB 1962 und 1963 jeweils Dritter der Oberliga Süd geworden war, war die Vereinsführung der Meinung, einen der fünf für die Süd-Oberligisten vorgesehenen Plätze in der zur Saison 1963/64 startenden neuen „Bundesliga“ beanspruchen zu können. Der DFB sah das anders und sortierte die Bayern stattdessen in die zweitklassige „Regionalliga Süd“ ein, während Ortsrivale 1860 München in die Bundesliga einzog. Im Sommer 1964 erreichten die Bayern zwar die Bundesliga-Aufstiegsrunde, scheiterten dort jedoch. 1965 gelang schließlich der ersehnte Aufstieg. Im Aufstiegsteam von Trainer Zlatko „Tschick“ Cajkovski standen damals schon die späteren Vereins- und Nationalmannschaftsikonen und „Alles-Gewinner“ Franz Beckenbauer (damals 19 Jahre alt), Gerd Müller (19) und Sepp Maier (20).
In Ihrer ersten Bundesligasaison (65/66) wurden die Bayern sehr guter Dritter und holten den DFB-Pokal, ihr Jungstar Franz Beckenbauer brillierte bei der WM in England und kehrte als Vizeweltmeister heim. Ab der Saison 1966/67 hatten die Bayern in Robert Schwan als erster Bundesligaverein einen modernen Manager. 1967 verteidigte die Elf um Mannschaftskapitän Werner Olk den DFB-Pokal und gewann ihren ersten internationalen Titel, nämlich den Europapokal der Pokalsieger (im Endspiel wurden die Glasgow Rangers nach Verlängerung mit 1:0 besiegt, Torschütze: Franz Roth).
1969 gewannen die Bayern unter Cajkovski-Nachfolger Branko Zebec als erstes Bundesliga-Team das „Double“, wurden also Meister und Pokalsieger im selben Jahr.
Nach zwei zweiten Plätzen hinter dem damaligen Dauerrivalen Borussia Mönchengladbach (1971 wurde man am letzten Spieltag noch abgefangen, holte aber zumindest den DFB-Pokal) wurden die Bayern 1972 wieder Bundesligameister (pünktlich zur Einweihung des neuen Olympiastadions und mit der Rekordzahl von 101 Toren). Zudem standen in diesem Jahr sechs von ihnen (Beckenbauer, Müller, Maier, Breitner, Schwarzenbeck und Hoeneß) im großartigen deutschen EM-Siegerteam, das im Finale von Brüssel die UdSSR souverän mit 3:0 schlug (zwei der drei Tore erzielte Bayern-Mittelstürmer Gerd Müller).
1973 und 1974 verteidigten die Münchner – seit 1970 von Udo Lattek trainiert – jeweils die Bundesligameisterschaft. 1974 wurde das bis dahin erfolgreichste Jahr in der Historie der Bayern, denn sie gewannen neben der Meisterschaft als erstes deutsches Team auch noch den Europapokal der Landesmeister: Am 17. Mai 1974 siegten die Bayern nach einer Galavorstellung in der Endspielwiederholung 4:0 gegen Atletico Madrid (Tore: Uli Hoeneß und Gerd Müller, je 2); das erste Finale war nach Verlängerung 1:1 ausgegangen, „Katsche“ Schwarzenbeck hatte dabei erst in der letzten Minute der Verlängerung per Weitschuss den Ausgleich für den FCB erzielt.
Für Franz Beckenbauer, Gerd Müller (schon 1970 in Mexiko mit 10 Treffern WM-Torschützenkönig), Sepp Maier, Paul Breitner, Georg Schwarzenbeck und Uli Hoeneß kam im Sommer `74 bei der WM im eigenen Land auch noch der Titel mit der bundesdeutschen Nationalelf hinzu (siebter Bayer im WM-Kader war Jupp Kapellmann, er blieb allerdings ohne Einsatz). Dass das mit 2:1 gegen Holland gewonnene WM-Finale (Torschützen: Paul Breitner und Gerd Müller) ausgerechnet in ihrem heimischen Münchner Olympiastadion stattfand, war für die Bayern-Akteure sicherlich von zusätzlichem Reiz.
In der Bundesliga und im DFB-Pokal war danach erst einmal Titel-Pause, im Landesmeister-Cup gelangen jedoch unter „Fußballprofessor“ Dettmar Cramer zwei weitere Finalsiege: 1975 schlug man im Endspiel Leeds United mit 2:0 (Tore: Franz Roth und Gerd Müller), 1976 besiegte man AS St. Etienne mit 1:0 (Tor: Franz Roth), so dass der Meistercup-Hattrick perfekt war. Eine unglaubliche Leistung! Ende 1976 kam noch der Sieg im Endspiel um den Weltpokal hinzu, den die Bayern gegen den brasilianischen Südamerikameister Cruzeiro Belo Horizonte als erstes deutsches Team gewannen (Hinspiel in München: 2:0 durch Tore von Gerd Müller und Jupp Kapellmann, Rückspiel in Belo Horizonte: 0:0).
[Fortsetzung folgt.]