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Folge 43 – November 2024

Old Soccer ball on the green grass, top view

Folge 43 – November 2024

 

Vor 80 Jahren:

Klaus Fichtel, späterer Bundesliga-„Rekord Senior“ geboren

Am 19. November 1944 wurde er in der Ruhrpott-Stadt Castrop-Rauxel geboren, jetzt wird er 80 Jahre alt: Klaus Fichtel (Spitzname: „Tanne“, eine Erfindung von Schalke-Trainer Fritz Langner). Klaus Fichtel hält bis heute den Bundesliga-Altersrekord und belegt in der Rangliste der Bundesliga-Rekordspieler mit 552 Einsätzen (meist als Innenverteidiger, später als Libero) Platz 4. Mehr Bundesligaspiele als er haben nur
Charly Körbel (602), Manni Kaltz (581) und Olli Kahn (557) bestritten. 

Vom Castrop-Rauxeler Stadtteil-Verein Arminia Ickern, für den er in der Verbandsliga spielte, wechselt Klaus Fichtel, der in der Ickerner Zeche „Victor“ den Beruf des Bergmanns erlernt hat, 1965 im Alter von 20 Jahren zum FC Schalke 04, wo er schnell einen Stammplatz in der Bundesligamannschaft erobert. 

Am 22. Februar 1967 bestreitet er beim 5:1 gegen Marokko sein erstes Länderspiel für die bundesdeutsche Nationalmannschaft, mit der er dann im Sommer 1970 auch zur WM nach Mexiko fliegt. Dort wird er in 5 der 6 deutschen Spiele eingesetzt und belegt mit der Mannschaft um Kapitän Uwe Seeler den 3. Platz. 

Die Spielzeit 1971/72 wird die bis dahin beste Bundesligasaison für Schalke 04 und damit auch für Klaus Fichtel (neben ihm stehen seinerzeit u.a. Größen wie „Stan“ Libuda, Klaus Fischer, Nobert Nigbur, Rolf Rüssmann und die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut im Schalker Team). S04 liegt damals vor dem letzten Spieltag nur einen Punkt hinter Tabellenführer Bayern München auf Rang 2. Der Spielplan will, dass es am 34. Spieltag in München zum direkten Duell der beiden Spitzenteams kommt. Sollte Schalke in diesem „Endspiel“ siegen, wäre man zum ersten Mal seit 1958 wieder deutscher Meister. Die Partie im neuen Münchner Olympiastadion gewinnen die Bayern jedoch klar mit 5:1. Schalke wird somit doch „nur“
Vizemeister, holt dabei aber mit 52:16 Punkten eine Punktzahl, die in allen Bundesliga-Spielzeiten zuvor jeweils zur Meisterschaft gereicht hätte. 

Nur drei Tage später erhält die Mannschaft um Klaus Fichtel bereits die nächste Chance auf einen Titelgewinn, denn das deutsche Pokalfinale in Hannover steht an, für das man sich durch ein 6:5 im Elfmeterschießen im Halbfinalrückspiel gegen den 1. FC Köln qualifiziert hat (Hinspiel in Köln: 1:4/Rückspiel in der „Glückauf-Kampfbahn“: 5:2). Diesmal läuft es für S04 und „Tanne“ Fichtel weitaus besser als im Meisterschafts-„Endspiel“ von München, denn die Knappen bezwingen den 1. FC Kaiserslautern vor 61.000 Zuschauern hochverdient mit 5:0, so dass der DFB-Pokal 1972 – erstmals seit 35 Jahren! – nach Gelsenkirchen geht.

Doch die Freude über Vizemeisterschaft und Pokalsieg währt bei den Schalkern nicht lange, da sie (und mit ihnen diverse andere Vereine) immer heftiger vom ein Jahr zuvor ans Licht gekommenen „Bundesliga Skandal“ eingeholt werden (Anfang Juni 1971 war herausgekommen, dass es bei mindestens 18 Bundesligaspielen der Saison 70/71 zu Absprachen und zur Zahlung von Bestechungsgeldern gekommen sein muss). Für die Schalker wird insbesondere das verschobene Heimspiel gegen Arminia Bielefeld vom 17. April 1971 zusehends zum Bumerang (man verlor damals nach vorheriger Absprache mit 0:1 gegen die abstiegsbedrohten Bielefelder, die den Schalker Spielern für die zwei Punkte 40.000 DM zahlten). Schon während der Saison 1971/72 hatte der DFB ermittelt und auch zahlreiche Gelsenkirchener Spieler vernommen, die jedoch die Bestechungsvorwürfe abstritten. Im Laufe der neuen Spielzeit 1972/73 werden dann aber 10 Schalker Profis überführt und vom DFB gesperrt, darunter auch Klaus Fichtel (obwohl er beim 0:1 gegen Bielefeld nur in der ersten Halbzeit spielte). Er wird vom DFB zu einer ab dem 18. März 1973 geltenden zweijährigen Sperre sowie zu einer Geldstrafe verurteilt, im Januar 1974 jedoch vorzeitig begnadigt. Nachdem er Ende 1975 vor dem Essener Landgericht gemeinsam mit einigen anderen Schalker Spielern auch noch zu einer Geldstrafe wegen Meineids verurteilt wird, belegt der DFB die Betroffenen zusätzlich mit erneuten Sperren (Fichtel wird diesmal vom 4. bis zum 22. Januar 1978 gesperrt, außerdem muss er eine Geldbuße in Höhe von 10.000 DM zahlen).

Seine Verwicklung in den Bestechungsskandal kostet Klaus Fichtel am Ende nicht nur viel Geld, sondern auch die Fortsetzung seiner Nationalmannschaftskarriere. Ohne seine Beteiligung am Bundesliga-Skandal hätten seine Chancen, bei der EM 1972 oder auch bei der WM 1974 zum erfolgreichen bundesdeutschen Kader zu gehören, sicher nicht schlecht gestanden… So endet seine Karriere im Nationaltrikot bereits mit
seinem 23. Länderspiel, dem 0:0 im EM-Qualifikationsspiel gegen Polen am 17. November 1971.

Klaus Fichtel spielt zunächst weiterhin für die Schalker in der Bundesliga und wird mit ihnen in der Saison 1976/77 ein weiteres Mal Vizemeister (diesmal mit nur einem Punkt Rückstand auf Meister Borussia Mönchengladbach). Nach der Saison 1979/80 wechselt der mittlerweile 35 Jahre alte Ruhrpottler zur Überraschung Vieler zu Bundesligaabsteiger Werder Bremen in die 2. Liga Nord. In der folgenden Spielzeit 1980/81 wird Fichtel von Werder-Coach Otto Rehhagel in allen 42 Zweitliga-Meisterschaftsspielen eingesetzt (die Nordstaffel umfasst seinerzeit 22 Vereine). Werder wird mit Libero Klaus Fichtel Meister der 2. Liga Nord und schafft so die angestrebte sofortige Rückkehr in die Bundesliga.

Nach der Bundesligarückkehr etabliert sich Aufsteiger Werder – mit Stammspieler Klaus Fichtel – erstaunlich schnell in der Eliteklasse und belegt in der Saison 1981/82 gleich einen höchst beachtlichen fünften Platz, der die Qualifikation für den UEFA-Cup bedeutet.

1982/83 spielt „Tanne“ Fichtel mit seinen Bremern dann sogar bis zum letzten Spieltag um die deutsche Meisterschaft mit. Werder holt – wie Titelverteidiger HSV – starke 52:16 Punkte, muss sich aber aufgrund des schlechteren Torverhältnisses gegenüber den Hamburgern mit Platz 2 begnügen. Für den mittlerweile 38 ½ Jahre alten Klaus Fichtel, der in 33 der 34 Saisonspiele dabei ist, ist es die dritte Bundesliga Vizemeisterschaft. Nach einer weiteren Saison bei Werder (mit nur noch 8 Einsätzen) kehrt Klaus Fichtel zur Runde 1984/85 nach Gelsenkirchen zurück, um dort als Diethelm Ferners Co-Trainer zu arbeiten, er wird jedoch bei Personalengpässen immer wieder für das Schalker Bundesligateam reaktiviert. Das endgültig allerletzte Mal ist dieses am 21. Mai 1988 der Fall (es ist der letzte Spieltag der Saison 87/88 und Schalke trifft ausgerechnet auf Klaus Fichtels Ex-Verein Werder Bremen, das bereits als neuer Deutscher Meister
feststeht, während Schalkes Abstieg in die 2. Liga nicht mehr zu verhindern ist; das Spiel endet 1:4). Klaus Fichtel ist an diesem Tag stolze 43 Jahre, sechs Monate und zwei Tage alt – kein aktiver Bundesligaspieler war je älter. Fast zwei Jahre nach seinem offiziellen Abschiedsspiel, das am 26. August 1986 stattfand, bestreitet er an jenem 21. Mai 1988 sein insgesamt 552. und letztes Bundesligaspiel (477 für Schalke, 75 für
Werder).

Nach seiner aktiven Zeit ist Klaus Fichtel zunächst als Jugend- und Amateurtrainer tätig, später gibt er den Trainerjob auf und arbeitet für Schalke als Scout. Zu den Hobbys des mit seiner Familie in Waltrop lebenden Rekord-Oldies zählt(t)en lange Jahre die Taubenzucht und der Trabrennsport – und selbstverständlich das Fußballspielen in der Schalker Traditionself.

 Norbert Voshaar
[Lit.: Kicker-Almanach 2022 (2021) / Jürgen Thiem: „Helden für einen Sommer – Die beste Schalker Mannschaft aller Zeiten“ (2012) /
Kai Griepenkerl: „Ata, Ennatz, Susi, Yyyves – 82 Köpfe des Revierfußballs“ (2012) / Jürgen Bitter: „Deutschlands Fußball
Nationalspieler“ (1997) / Raphael Keppel: „25 Jahre Fußball-Bundesliga“ (1988) / Wikipedia

 

 

 

 

Klaus „Tanne“ Fichtel 1984 vor Fan-Plakat „Der Wald stirbt – Die Tanne steht“ / Foto: WAZ