Vor 30 Jahren:
Das „Wunder vom Wildpark“: Karlsruher SC – FC Valencia 7:0!
Nachdem der KSC bei seiner ersten UEFA-Cup-Teilnahme in Runde 1 der Saison 1993/94 den holländischen Vizemeister PSV Eindhoven ausgeschaltet hat, trifft er in Runde 2 auf den seinerzeitigen Tabellenführer der spanischen Primera Division, den FC Valencia. Das Hinspiel in Valencia gewinnen die favorisierten Spanier hochverdient mit 3:1 und wähnen sich danach bereits im Achtelfinale. Beim Rückspiel im ausverkauften Karlsruher Wildparkstadion am 2. November 1993 kommt es jedoch zu einem denkwürdigen Europacup-Abend, der nicht nur in Karlsruhe bis heute unvergessen ist.
Besonders Stürmer Edgar Schmitt, der schon im Hinspiel das einzige Tor für den KSC erzielt hat, wird auch 30 Jahre später immer noch auf diese Partie angesprochen, denn beim Rückspiel, bei dem sich die von Motivationskünstler Winnie Schäfer trainierten Karlsruher in einen wahren Rausch spielen, gelingen ihm unglaubliche 4 Tore! Nachdem in den ersten 25 Minuten KSC-Torhüter Oliver Kahn mehrfach seine Klasse zeigen muss, ist es Edgar Schmitt, der in der 29. Minute den Torreigen eröffnet und schon 5 Minuten später das 2:0 folgen lässt (ausgerechnet Schmitt, der in der Woche zuvor wie durch ein Wunder einen schweren Autounfall unbeschadet überstand, als er sich auf der Fahrt zum Training mit seinem Wagen mehrfach überschlug). In der 37. Minute schießt Rainer Schütterle das 3:0.
Direkt nach der Pause erhöht Valery Shmarov auf 4:0, bevor Edgar Schmitt erneut zweimal trifft, und zwar innerhalb von fünf Minuten: in der 59. Minute per Kopf zum 5:0, in der 63. Minute zum 6:0. In der 90. Minute markiert schließlich Slaven Bilic den Endstand von 7:0. Nach dem Spiel ist der Jubel auf Karlsruher Seite unbeschreiblich, auch die Presse überschlägt sich förmlich; sie spricht vom „Wunder vom Wildpark“ und tauft den vierfachen Torschützen Edgar Schmitt auf den Namen „Euro-Eddy“ (diesen Begriff lässt sich Schmitt später sogar rechtlich schützen). Die Karlsruher überstehen auch noch zwei weitere Runden (Achtelfinale: Girondins Bordeaux – KSC 1:0 u. 0:3, Viertelfinale: Boavista Porto – KSC 1:1 u. 0:1), im Halbfinale gegen Austria Salzburg ist dann aber leider Schluss für sie, denn nach einem Auswärts-0:0 reicht das 1:1 im Karlsruher Rückspiel nicht, da die damals gültige Auswärtstore-Regelung für die Salzburger spricht.
Die KSC-Aufstellung beim legendären 7:0 gegen Valencia: Oliver Kahn, Michael Wittwer, Slaven Bilic, Dirk Schuster, Wolfgang Rolff, Rainer Schütterle (71. Dirk Klinge), Manfred Bender, Valery Shmarov, Eberhard Carl, Edgar Schmitt (82. Rainer Krieg), Sergej Kirjakow, Trainer: Winfried Schäfer
Vor 50 Jahren:
Erstes deutsch-deutsches Europacup-Duell: Bayern München gegen Dynamo Dresden 4:3 und 3:3
Als dem bundesdeutschen Fußballmeister Bayern München Anfang Oktober 1973 bei der Auslosung der Achtelfinal-Paarungen des europäischen Landesmeistercups der DDR-Meister Dynamo Dresden zugeteilt wird, kommt es im Europapokal erstmals zu einem deutsch-deutschen Duell. Die Münchner gelten bei dieser brisanten Auseinandersetzung als Favorit, stehen doch sechs Spieler aus der bundesdeutschen Europameistermannschaft von 1972 in ihren Reihen. Nachdem die Bayern das Hinspiel in München nur mit größter Mühe knapp gewinnen können (aus dem Halbzeitrückstand von 2:3 machen Franz Roth und Gerd Müller noch ein glückliches 4:3), ist ihr Favoritenstatus indes arg angekratzt. Der „Kicker“ unkt am Tag nach dem Spiel gar: „Bayern wahrscheinlich draußen“.
Um nicht in Dresden übernachten zu müssen, reisen die Bayern zum Rückspiel 14 Tage später – sehr zur Enttäuschung ihrer zahlreichen Fans in der DDR – erst am Spieltag, dem 7. November 1973, an. Hintergrund dieser ungewöhnlichen und viel kritisierten Maßnahme: Man hat Angst, bei einer Übernachtung in Dresden womöglich Opfer von Abhör- oder gar Vergiftungsaktionen der „Stasi“ (Staatssicherheitsdienst der DDR), zu werden.
Zwar starten die Münchner vor ausverkauftem Haus furios in das Rückspiel und führen durch zwei Kontertore von Uli Hoeneß bereits nach 12 Minuten mit 2:0, durch Treffer von Siegmar Wätzlich (42. Minute), Hartmut Schade (52. Minute) und Reinhard Häfner (56. Minute) macht Dynamo aber aus dem 0:2 ein 3:2 und wäre bei diesem Spielstand aufgrund der Auswärtstore-Regel weiter. Zum Glück haben die Bayern aber Gerd Müller, der in der 58. Minute den 3:3-Ausgleich erzielt. Mit viel Einsatz verteidigen die Münchner das ihnen zum Weiterkommen reichende Unentschieden bis zum Schlusspfiff gegen eine Dresdner Mannschaft, die sich in diesen beiden denkwürdigen Achtelfinalpartien großen internationalen Respekt erarbeitet. Der „Kicker“ schreibt am nächsten Tag: „Die Dresdner haben auch im Rückspiel bewiesen, dass sie es durchaus mit unserem Meister aufnehmen können. In der Spieldynamik und mannschaftlichen Geschlossenheit übertrafen sie ihn sogar.“ Für die Münchner führt der Weg weiter über Sofia (Viertelfinale, 4:1 u. 1:2) und Budapest (Halbfinale, 3:0 u. 1:1) bis ins Endspiel nach Brüssel, wo gegen Atletico Madrid die Krönung folgt: Nachdem das (erste) Finale nach Verlängerung mit 1:1 endet, gewinnen die Bayern das Wiederholungsspiel mit 4:0 und holen als erstes deutsches Team den Landesmeistercup.
Die Mannschaftsaufstellungen vom 3:3 in Dresden am 7.11.1973:
Bayern München: Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Johnny Hansen, Georg Schwarzenbeck, Bernd Dürnberger, Uli Hoeneß, Franz Roth, Rainer Zobel, Willi Hoffmann, Gerd Müller, Edgar Schneider, Trainer: Udo Lattek
Dynamo Dresden: Claus Boden, Hans-Jürgen Dörner, Frank Ganzera, Eduard Geyer, Christian Helm, Siegmar Wätzlich, Reinhard Häfner, Horst Rau, Hartmut Schade (75. Dieter Riedel), Gerd Heidler, Rainer Sachse, Trainer Walter Fritzsch
Eines der begehrten Tickets für das Rückspiel in Dresden am 7. November 1973. Die Sitzplatzkarte kostet 8,10 DDR-Mark, bei Anspruch auf Ermäßigung 4,10 Mark. (Foto aus dem „Kicker“ vom 5.11.1973)
Norbert Voshaar [Lit.: Kicker vom 25.10.1973, 5.11.1973, 8.11.1973 und 4.11.1993 / Kicker-Edition: „60 Jahre Europapokal“ (2015) / Tom Bender u. Ulrich Kühne-Hellmessen: „Verrückter Europa-Cup“ (1999) / Kicker-Almanach 2023 (2022) / Wikipedia]