Folge 56 – Dezember 2025
Vor 90 Jahren:
Erstes deutsches Pokalendspiel: 1. FC Nürnberg – Schalke 04 2:0
Nachdem in England bereits seit der Saison 1871/72 ein jährlicher landesweiter Fußball-Pokalwettbewerb ausgetragen wird (der sogenannte „FA Cup“, wobei FA für „Football Association“ steht), ist es 1935, also vor nunmehr 90 Jahren, endlich auch im seinerzeit von den Nationalsozialisten beherrschten Deutschen Reich soweit: Nach der Beseitigung der traditionell föderalistischen Struktur des deutschen Fußballs und der
Gleichschaltung der Verbände und Vereine installieren die Machthaber nach englischem Vorbild eine „Deutsche Pokalmeisterschaft“, so die offizielle Bezeichnung. Zumeist wird der neue Pokalwettbewerb aber nach seinem Schirmherrn benannt, dem NS-„Reichssportführer“ Hans von Tschammer und Osten, nämlich schlicht „Tschammer-Pokal“.

„Deutsche Fußball-Vereinspokal“, um den ab 1935 die deutschen Klubs spielten.
Bis die erste Finalpaarung feststeht, ist eine kaum zu überschauende Anzahl an regionalen und überregionalen Qualifikationsspielen notwendig, denn es dürfen alle 14.000 (!) deutschen Vereine teilnehmen.
Beim ersten deutschen Pokalendspiel treffen am 8. Dezember 1935 schließlich mit dem Meister der Jahre 1934 und 1935, dem FC Schalke 04, und dem seinerzeitigen Rekordmeister 1. FC Nürnberg (zu dem Zeitpunkt fünffacher Titelträger) zwei deutschlandweit bekannte und bedeutende Vereine aufeinander (so wie bereits im Meisterschaftsendspiel von 1934, das Schalke mit 2:1 gewann). Trainer der Schalker ist seinerzeit übrigens mit dem 16-fachen Nationalspieler Hans „Bumbas“ (oder auch „Bumbes“) Schmidt ein Mann, der von 1922 bis 1928 für den 1.FC Nürnberg gespielt und mit diesem in dieser Zeit drei deutsche Meisterschaftsendspiele gewonnen hat.
Im mit 60.000 Zuschauern ausverkauften Düsseldorfer Rheinstadion kommen die Nürnberger mit der widrigen Witterung (Schneetreiben, Nieselregen und bittere Kälte) besser zurecht. Immer wieder suchen sie nach zügigen Kombinationen den schnellen Torabschluss. Die Schalker hingegen tragen ihre Angriffe viel zu umständlich vor. Auch Ihre Stars Kuzorra und Szepan sind nicht in Bestform. Ernst Kuzorra lässt sich von
seinem Gegenspieler Hans Uebelein ungewohnt oft das Leder abjagen, Fritz Szepan scheint sich noch nicht von der 0:3-Niederlage erholt zu haben, die er vier Tage zuvor in London als Mannschaftskapitän mit der Nationalelf gegen England erlitten hat. Er lässt sich zunehmend nach hinten fallen und versucht, von dort aus das Spiel zu ordnen. Dass es zur Halbzeit noch 0:0 steht, haben die Knappen zu einem Großteil ihrem Torhüter Hermann Mellage zu verdanken, der mehrere Chancen des Nürnbergers Willi Spieß vereitelt. Gleich nach der Pause fällt aus einem unübersichtlichen Gewühl im Schalker Strafraum heraus dann das 1:0 für den Club. Der „Kicker“ schreibt Georg Friedel den Treffer zu, andere Beobachter nennen als Torschützen Max Eiberger.
Zwar steigern sich die Gelsenkirchener mit zunehmender Spieldauer, doch ihr Aufbäumen ist nicht von langer Dauer. Die endgültige Entscheidung fällt fünf Minuten vor dem Ende: einen harten Flachschuss von FCN-Rechtsaußen Karl Gußner kann Schalkes Torwart Mellage nicht festhalten, die Kugel rutscht ihm aus den Händen und Georg Friedel schießt das Leder zum 2:0-Endstand ins Tor. Der verdiente erste deutsche Pokalsieger heißt somit 1. FC Nürnberg! Mit grenzenlosem Jubel werden die Club-Spieler am nächsten Tag auf dem Nürnberger Hauptbahnhof empfangen, von wo aus es in einer Wagenkolonne zum Rathaus geht. Dort überreicht Julius Streicher, NSDAP Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, den siegreichen FCN-Spielern den Lorbeerkranz.

Die siegreichen Nürnberger Spieler nach dem Schlusspfif
Premieren-Pokalsieger FCN: Georg Köhl, Willi Billmann, Andreas Munkert, Hans Uebelein, Heinz Carolin, Richard Oehm, Max Eiberger, Josef Schmitt, Karl Gußner, Georg Friedel, Willi Spieß; Trainer: Karl Michalke
Vizepokalsieger S04: Hermann Mellage, Hans Bornemann, Otto Schweisfurth, Otto Tibulski, Hermann Nattkämper, Rudi Gellesch, Fritz Szepan, Ernst Kuzorra, Ernst Kalwitzki, Ernst Poertgen, Adolf Urban; Trainer: Hans Schmidt
Norbert Voshaar
[Lit.: Kicker-Edition „Mythos Pokal – Die Geschichte. Die Helden. Die Tragödien.“ (2013) / 11 Freunde-Spezial: „DFB-Pokal“ (2022) /Kicker-Almanach 2022 (2021) / Wikipedia]