Vor 70 Jahren:
WM-Qualifikation: Saarland – Bundesrepublik Deutschland 1:3
Am 28. März 1954 kommt es im Saarbrücker Ludwigsparkstadion vor 53.000 Zuschauern in der Qualifikation zur WM 1954 zum Rückspiel zwischen dem seinerzeit selbständigen Saarland und der Bundesrepublik Deutschland. Das Hinspiel am 11. Oktober 1953 in Stuttgart hatte die bundesdeutsche Elf mit 3:0 gewonnen (Tore: Max Morlock [2] und Horst Schade).
Die vom ehemaligen Dresdner Nationalspieler und späteren Bundestrainer Helmut Schön trainierte saarländische Mannschaft hält von Beginn an gut mit, spielt offensiv und kommt zu mehreren Torchancen. Nach 17 Minuten haben die favorisierten Deutschen großes Glück, dass der niederländische Schiedsrichter Bronkhorst einem wunderschönen Tor des Saarländers Herbert Martin wegen angeblicher Abseitsstellung die Anerkennung verweigert. In der 37. Minute fällt die Führung für die bundesrepublikanische Elf, als Max Morlock nach einer Ecke den Ball zum Halbzeitstand von 0:1 über die Linie des saarländischen Tores drückt. Die Gastgeber drängen nach der Pause sofort auf den Ausgleich, wer aber in der 51. Minute erneut trifft, ist Max Morlock, und zwar nach einer Flanke von Ottmar Walter, der in der 31. Minute für seinen verletzten Bruder Fritz eingewechselt worden ist. Die deutsche Elf ist nun klar überlegen, nach einem Handspiel von Erich Schanko im deutschen Strafraum erhalten die Saarländer in der 67. Minute jedoch die Gelegenheit, per Elfmeter den Anschlusstreffer zu erzielen. Herbert Martin lässt sich die Chance nicht entgehen und verwandelt den Strafstoß unhaltbar. In der 83. Minute fällt nach einem Konter durch den besten deutschen Stürmer, Hans Schäfer, die endgültige Entscheidung, denn der Kölner trifft mit einem satten Schuss ins lange Eck zum 3:1 für die Bundesrepublik. Die bundesdeutsche Elf qualifiziert sich damit als Sieger der Qualifikationsgruppe 1 für die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Neun der zwölf in Saarbrücken eingesetzten bundesdeutschen Spieler werden ein Vierteljahr später im Berner WM-Finale gegen Ungarn stehen und dieses mit 3:2 gewinnen. Die Nationalmannschaft des Saarlandes wird am 6. Juni 1956 beim 2:3 gegen die Niederlande ihr letztes Länderspiel bestreiten, denn zum 1. Januar 1957 tritt das Saarland nach neun Jahren der Selbständigkeit als 10. Bundesland der Bundesrepublik Deutschland bei.
Die Saarland-Elf: Erwin Strempel (1. FC Saarbrücken), Kurt Clemens (Saar 05 Saarbrücken), Nikolaus Biewer (1. FC Saarbrücken), Albert Keck (1. FC Saarbrücken), Waldemar Philippi (1. FC Saarbrücken), Werner Otto (1. FC Saarbrücken), Peter Momber (1. FC Saarbrücken), Karl Schirra (1. FC Saarbrücken), Herbert Martin (1. FC Saarbrücken), Herbert Binkert (1. FC Saarbrücken), Gerhard Siedl (1. FC Saarbrücken), Trainer: Helmut Schön
Die DFB-Auswahl: Toni Turek (Fortuna Düsseldorf), Jupp Posipal (Hamburger SV), Erich Retter (VfB Stuttgart), Werner Kohlmeyer (1. FC Kaiserslautern), Erich Schanko (Borussia Dortmund), Helmut Rahn (RW Essen), Werner Liebrich (1. FC Kaiserslautern), Hans Schäfer (1. FC Köln), Max Morlock (1. FC Nürnberg), Fritz Walter (1. FC Kaiserslautern) [ab 31. Minute Ottmar Walter (1. FC Kaiserslautern)], Josef Röhrig (1. FC Köln), Trainer: Sepp Herberger
Vor 85 Jahren:
Karl-Heinz „Carlo“ Schnellinger, vierfacher WM-Teilnehmer, Europacupsieger und Fußballer des Jahres 1962, geboren
Am 31. März 1939 wurde er in Düren geboren, jetzt wird er 85 Jahre alt: Karl-Heinz Schnellinger, vierfacher WM-Teilnehmer und Deutschlands Fußballer des Jahres 1962. Schon als Junge spielt er für seinen Heimatverein SG Düren 99 Fußball. Zwei Tage nach seinem 19. Geburtstag, am 2. April 1958, debütiert er beim Freundschaftsspiel in der Tschechoslowakei (Ergebnis: 3:2 für die CSSR) bereits in der deutschen Nationalmannschaft – und das, obwohl sein Klub Düren 99 damals nur in der zweithöchsten Klasse spielt. Karl-Heinz Schnellinger wird im Sommer 1958 von Bundestrainer Sepp Herberger sogar für den deutschen Weltmeisterschaftskader für Schweden nominiert, kommt dort zweimal als Verteidiger zum Einsatz und kehrt als WM-Vierter heim. Nach der Weltmeisterschaft wechselt er zum 1. FC Köln in die Oberliga West. 1960 schafft er es mit den Kölnern erstmals ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft, dieses geht jedoch mit 2:3 gegen den HSV verloren. 1962 wird ein Highlight-Jahr für Karl-Heinz Schnellinger: Er steht mit seinem 1. FC Köln zum zweiten Mal im Meisterschaftsendspiel und gewinnt dieses mit 4:0 gegen den 1. FC Nürnberg; er spielt in Chile seine zweite WM (er ist in allen vier Spielen bis zum Ausscheiden im Viertelfinale gegen Jugoslawien dabei) und wird zu Deutschlands Fußballer des
Jahres gewählt; zudem wird er bei der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres Dritter, eine für Abwehrspieler höchst seltene Anerkennung. Auch 1963 zieht Schnellinger mit seinem 1. FC Köln ins deutsche Meisterschaftsfinale ein, Gegner Borussia Dortmund entpuppt sich aber als zu stark und gewinnt verdient mit 3:1. Zur Saison 1963/64 wechselt Karl-Heinz Schnellinger für eine damals bemerkenswert hohe Ablösesumme von 550.000 DM sowie 350.000 DM Handgeld nach Italien. Zunächst spielt er eine Saison für den AC Mantua. In der Spielzeit 1964/65 ist er für den AS Rom aktiv, mit dem er im September ´64 gleich den italienischen Pokal holt. Dann wechselt er zum AC Mailand (damals u.a. mit den Stars Kurt Hamrin, Gianni Rivera und Giovanni Trapattoni), wo er neun Jahre lang Stammspieler bleiben und zahlreiche Titel gewinnen wird: 1967, 72 und 73 wird er mit Milan jeweils italienischer Pokalsieger, 1968 italienischer Meister und Europacupsieger der Pokalsieger (Finale: 2:0 gegen den HSV), 1969 Europapokalsieger der Landesmeister (4:1 gegen Ajax Amsterdam) sowie Weltcup-Sieger (3:0 und 1:2 gegen Estudiantes de la Plata, wobei das Rückspiel in Buenos Aires aufgrund zahlreicher heftiger Fouls und grober Unsportlichkeiten von Seiten der Argentinier als eines der skandalösesten und brutalsten Spiele in die Historie des Weltfußballs eingeht). Mit der deutschen Nationalmannschaft nimmt Karl-Heinz Schnellinger erfolgreich an zwei weiteren WM Turnieren teil: 1966 in England ist er in allen sechs deutschen Spielen dabei und wird Vizeweltmeister (Finale: England – Deutschland 4:2 nach Verlängerung), 1970 in Mexiko fehlt er nur im ersten der sechs deutschen Spiele und wird am Ende Dritter (im Spiel um Platz drei wird Uruguay mit 1:0 geschlagen). Höhepunkt der WM 1970 ist dabei aus deutscher Sicht das Halbfinale gegen Italien, in dem ausgerechnet der in Italien spielende und dort “Carlo“ genannte Schnellinger in der 90. Minute das deutsche Ausgleichstor zum 1:1 markiert – sein einziges Länderspieltor überhaupt. Die durch dieses Ausgleichstor notwendig gewordene Verlängerung entscheiden die Italiener für sich (am Ende gewinnen sie mit 4:3 und ziehen ins Finale gegen Brasilien ein). Ein halbes Jahr später beendet Karl-Heinz Schnellinger nach 47 Länderspielen (17 davon bei Weltmeisterschaften!) seine Nationalmannschaftskarriere. Bis 1974 spielt Schnellinger noch für den AC Mailand (sein letztes Spiel ist das 0:2 verlorene CupsiegerFinale ´74 gegen den 1. FC Magdeburg), dann kehrt er im Alter von 35 Jahren überraschend zurück nach Deutschland, wo er für ein Jahr beim Bundesligaaufsteiger Tennis Borussia Berlin anheuert. Auch er kann jedoch den direkten Wiederabstieg von TeBe nicht verhindern. 1975 beendet er seine aktive Laufbahn und lässt sich in der Mailänder Gemeinde Segrate nieder. Bis 2006 ist er insgesamt 30 Jahre lang unter anderem als Generalvertreter für Einbauküchen und PR-Mann in der Cateringbranche tätig, dann setzt er sich endgültig zur Ruhe. Karl-Heinz Schnellinger hat drei Töchter, drei italienische Schwiegersöhne sowie mehrere Enkelkinder. Seinen Wechsel nach Italien, der ihn letztlich nicht nur finanziell, sondern auch sportlich enorm voranbrachte, hat Karl-Heinz Schnellinger nie bereut. Er fühlt sich in Mailand seit nunmehr fast 60 Jahren heimisch und hat nach wie vor Kontakt zum AC. Dass der DFB kaum einmal von sich hören lässt, ärgert ihn allerdings schon ein wenig.
Norbert Voshaar [Lit.: Raphael Keppel: „Deutschlands Fußball-Länderspiele“ (1989) / Jürgen Bitter: „Deutschlands Fußballnationalspieler –
Das Lexikon“ (1998) / https://www.eurosport.de/fussball/karl-heinz-schnellinger-der-vergessene-held-des-jahrhundertspiels_sto7745764/
story.shtml / Karl-Heinz Jens: „Der allwissende Fußball“ (1966) / Wikipedia]