Vor 80 Jahren:
Sepp Maier, Deutschlands erfolgreichster Torhüter aller Zeiten, geboren
Als er im vorletzten Jahr des 2. Weltkriegs, am 28. Februar 1944, in Metten/Niederbayern geboren wird, kann keiner ahnen, dass es der kleine Josef Dieter Maier (Spitzname bis heute: „Sepp“) einmal zum erfolgreichsten Torhüter Deutschlands bringen würde. Nun wird der mittlere der drei Söhne von Josef und Maria Maier 80 Jahre alt. 1946 zieht der kleine Sepp mit seiner Familie nach Haar, wo er die Volksschule besucht und anschließend eine Lehre zum Maschinenschlosser absolviert. Beim örtlichen TSV Haar ist der stets zu Streichen aufgelegte Lausbub Mitglied der Turnriege (er wird sogar einmal Jugend-Kreismeister im Bodenturnen) und spielt gleichzeitig Fußball. Zunächst ist er Stürmer, nachdem er aber eines Tages den verletzten Torwart seiner Mannschaft erfolgreich vertritt, bleibt er im Tor. 1958 entscheidet Sepp Maier sich endgültig für den Fußball und gegen das Turnen, und wechselt in die A-Jugend des FC Bayern. 1961 wird er erstmals in die deutsche A-Jugend-Auswahl berufen, wo er u.a. mit Rolf Kahn zusammenspielt, dem Vater von Oliver Kahn, seinem späteren Nachfolger im Tor des FC Bayern und der Nationalmannschaft. Ab 1962 ist Sepp, dessen Vorbild Lew Jaschin (der legendäre sowjetische Europameister-Torwart von 1960) ist, Vertragsspieler bei den Bayern, die damals in der Oberliga Süd spielen. Da Bayern München 1963 (trotz Rang drei in der Oberliga Süd in der Saison 1962/63 hinter München 1860 und dem 1. FC Nürnberg) keinen Platz in der neu gegründeten Bundesliga erhält, muss der Verein 1963/64 und 1964/65 in der zweitklassigen Regionalliga Süd antreten. 1965 gelingt der ersehnte Aufstieg in die Bundesliga. Dort spielt der FCB mit dem unangefochtenen Stammtorwart Sepp Maier sofort eine sehr gute Rolle und wird Dritter (punktgleich mit Vizemeister Dortmund), zudem gewinnt er den DFB-Pokal durch ein 4:2 im Finale gegen den Meidericher SV. Am 4. Mai 1966 macht der 22-jährige Sepp Maier sein erstes A-Länderspiel (4:0 gegen Irland). Er schafft es in den Kader für die WM in England, wo allerdings der erfahrene Dortmunder Hans Tilkowski „gesetzt“ ist, so das Sepp Maier bei der WM ´66 ohne Einsatz bleibt und das Drama um das „Wembley-Tor“ zum 3:2 für England (Endstand: 4:2 nach Verlängerung) nicht auf dem Feld erlebt.
Hatte Sepp Maier in der Spielzeit 1965/66 noch 3 der 34 Bundesligaspiele des FCB verpasst, so ist mit Fehltagen nun ein für allemal Schluss: Mit dem ersten Spieltag der Saison 1966/67 startet er eine schier unglaubliche Rekordserie von 442 Bundesligaspielen am Stück! Das bedeutet, dass er in den 13 Bundesligaspielzeiten von 1966/67 bis 1978/79 bei keinem einzigen Spiel seiner Bayern fehlt (erst sein schwerer Autounfall vom 14. Juli 1979 wird diese Serie beenden).
Die Saison 1966/67 schließen die Bayern zwar nur auf Rang sechs ab, sie verteidigen jedoch durch ein 4:0 gegen den HSV den DFB-Pokal und holen (als zweite deutsche Mannschaft nach Borussia Dortmund) durch ein 1:0 nach Verlängerung gegen die Glasgow Rangers den Europapokal der Pokalsieger. Nach Bundesliga-Rang fünf in der Saison 1967/68 gelingt den Bayern 1968/69 mit Sepp Maier im Tor als erstem Team der Bundesliga das „Double“: Man wird mit 8 Punkten Vorsprung Meister und gewinnt zudem den DFB-Pokal durch einen 2:1-Finalsieg gegen Schalke 04. Mit der Spielzeit 1969/70 beginnt die große Zeit der Konkurrenz zwischen Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Die Gladbacher „Fohlen“ holen schließlich erstmals den Titel, und die Bayern werden Vizemeister.
Hatte Bundestrainer Helmut Schön nach dem Ende von Hans Tilkowskis Nationalmannschaftskarriere 1967 im Tor der Nationalelf zunächst eine Zeitlang zwischen Sepp Maier und dem Braunschweiger Keeper Horst Wolter gewechselt, so legt er sich im Sommer 1970 für die WM in Mexiko auf Sepp Maier als Torwart Nummer 1 fest. Maier spielt die drei Vorrundenspiele, das Viertelfinale (Gegner: Titelverteidiger England, Ergebnis: 3:2 nach Verlängerung) und das Halbfinale (das “Jahrhundertspiel“ gegen Italien, Ergebnis: 3:4 nach Verlängerung). Beim abschließenden Spiel um Platz 3 (1:0 gegen Uruguay) darf Ersatzmann Horst Wolter ins Tor, was ihm Sepp Maier von Herzen gönnt.
Schlag auf Schlag geht es nun weiter: 1971 geben die Bayern zwar am letzten Bundesligaspieltag noch die Tabellenführung an die Gladbacher ab und werden erneut „nur“ Vizemeister, aber im Pokalfinale schlagen sie den 1. FC Köln nach Verlängerung mit 2:1. Es ist bereits Sepp Maiers vierter Pokalsieg. 1972 kommen die zweite Bundesligameisterschaft mit den Bayern (mit Rekordpunktzahl und Rekordtorverhältnis) und der erste Titel mit der deutschen Nationalelf hinzu, als im EM-Endspiel von Brüssel die Sowjetunion hochverdient mit 3:0 geschlagen wird.
1973 verteidigt Sepp Maier mit den Münchnern souverän die Bundesligameisterschaft, 1974 holt er gleich drei Titel: Er, der mittlerweile mit Franz Beckenbauer und Gerd Müller eine legendäre Achse bildet, wird mit den Bayern zum dritten Mal in Folge deutscher Meister und holt zudem mit ihnen den Europapokal der Landesmeister (am 17. Mai 1974 schlägt der FCB in der Endspielwiederholung von Brüssel Atletico Madrid mit 4:0; das erste Finale war nach Verlängerung 1:1 ausgegangen). Seinen dritten Titel im Jahr 1974 gewinnt Sepp Maier mit der bundesdeutschen Nationalelf bei der WM im eigenen Land. Das Team startet mit Licht und Schatten in das Turnier, vor allem der eskalierende Streit zwischen den Spielern und den DFB-Funktionären um die WM-Prämien sowie die 0:1-Niederlage gegen die DDR dämpfen zunächst die Stimmung. Schließlich muss das letzte Spiel der zweiten Finalrunde zwischen der Bundesrepublik und Polen über die Endspielteilnahme entscheiden. Bei diesem Match, das als „Wasserschlacht von Frankfurt“ (es hat stundenlang heftigst geregnet, der Platz steht komplett unter Wasser und ist eigentlich unbespielbar) in die WM-Geschichte eingeht, ist Sepp Maier in überragender Form und rettet der deutschen Elf den 1:0-Sieg und damit den Einzug ins Endspiel. Am 7. Juli `74 folgt Sepp Maiers Karrierehöhepunkt, das WM-Finale im Münchner Olympiastadion gegen die favorisierten Niederlande mit ihrem herausragenden Kapitän Johan Cruijff. Schon in der 2. Minute des Endspiels muss Sepp Maier hinter sich greifen, da an einem von Johan Neeskens getretenen Elfmeter nichts zu halten ist. Ebenfalls per Foulelfmeter gleichen die Deutschen in der 25. Minute aus (Schütze: Paul Breitner), ehe kurz vor der Pause Gerd Müller in unnachahmlicher Manier das 2:1 für die bundesdeutsche Elf gelingt. Die zweite Halbzeit wird ein einziger holländischer Sturmlauf auf das deutsche Tor. Sepp Maier präsentiert sich in absoluter Bestform; reaktionsschnell, hochkonzentriert, mutig und souverän verhindert er immer wieder den Ausgleich der Holländer, so dass er sich nach dem Schlusspfiff als Weltmeister feiern lassen kann.
In der Bundesliga holt Sepp Maier mit seinen Bayern keine weiteren Titel mehr, da die Mannschaft über ihren Zenit hinaus ist. Im Landesmeister-Cup, für den man als Titelverteidiger automatisch qualifiziert ist, gelingen jedoch zwei weitere Finalsiege: 1975 schlägt man Leeds United mit 2:0, 1976 gelingt ein 1:0 gegen AS St. Etienne, so dass der Meistercup-Hattrick perfekt ist. Hinzu kommt Ende 1976 auch noch der Sieg im Endspiel um den Weltpokal, das die Bayern gegen den brasilianischen Südamerikameister Cruzeiro Belo Horizonte als erstes deutsches Team gewinnen (Hinspiel in München: 2:0, Rückspiel in Belo Horizonte: 0:0 – dank eines unbezwingbaren Sepp Maier).
Mit der Nationalelf steht Sepp Maier noch einmal in einem großen Finale, und zwar bei der EM 1976 gegen die CSSR. Nachdem die deutsche Elf einen 0:2-Rückstand aufgeholt hat, geht es in die Verlängerung, die jedoch torlos bleibt. Das anschließende Elfmeterschießen gewinnen die Tschechoslowaken mit 5:3 (einziger Fehlschütze in Belgrad ist Uli Hoeneß).
Auch bei der WM 1978 in Argentinien ist Sepp Maier, mittlerweile 34 Jahre alt, noch dabei; erneut ist er gesetzt und einer der wenigen überzeugenden Spieler im deutschen Team (er bleibt in vier der sechs deutschen Spiele ohne Gegentor). Das Ausscheiden der deutschen Mannschaft in der 2. Finalrunde kann aber auch er nicht verhindern. Vielleicht ist es ihm ja ein kleiner Trost, dass er nach der WM zum dritten Mal nach 1975 und 1977 zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt wird. Nach dem Rückzug von Berti Vogts aus der Nationalmannschaft nach der WM `78 übernimmt Sepp Maier dessen Kapitänsamt. Die Bundesligasaison 1978/79 beendet er mit seinen Bayern auf Rang vier. Für die Spielzeit 1979/80 geht er, der seit 13 Jahren nicht mehr wegen Verletzung oder Krankheit gefehlt hat, selbstverständlich von 34 Bundesligaspielen für die Bayern sowie von seiner Teilnahme an der für Juni 1980 angesetzten EM-Endrunde in Italien aus.
Doch es kommt ganz anders. Am 14. Juli 1979 kommt Sepp Maier nach einem Testspiel in Ulm mit seinem Wagen aufgrund von Aquaplaning von der Fahrspur ab und prallt mit einem entgegenkommenden Auto zusammen, in dem zwei Frauen leicht verletzt werden. Das Krankenhaus, in das er nach dem Unfall eingeliefert wird, diagnostiziert bei ihm zunächst lediglich einige Rippenbrüche. Sein herbeigeeilter langjähriger Mannschaftskollege Uli Hoeneß, gerade Manager der Bayern geworden, lässt Sepp Maier glücklicherweise auch noch vom Vereins-Arzt der Bayern untersuchen.
Dieser ordnet die sofortige Verlegung in das Krankenhaus Großhadern an, wo sich herausstellt, dass sich Sepp Maier einen Lungenriss zugezogen hat. Da zudem das Zwerchfell gerissen ist und sich in der Bauchhöhle 2 1/2 Liter Blut befinden, ist eine Notoperation erforderlich, um Sepp Maiers Leben zu retten. Die Operation glückt, mit dem Fußballspielen ist für Sepp Maier jedoch für immer Schluss. Er muss seine großartige Karriere nach 473 Bundesligaspielen für die Bayern und 95 Einsätzen für die deutsche Nationalelf beenden, da sein Gesundheitszustand Hochleistungssport nicht mehr zulässt. Ein Jahr nach dem Unfall, am 3. Juni 1980, findet deshalb sein Abschiedsspiel statt. Das Münchner Olympiastadion ist ausverkauft, vor 78.000 Zuschauern steht Sepp Maier letztmals für 20 Minuten im Bayern-Tor (mehr geht aus versicherungstechnischen Gründen nicht), Gegner ist die deutsche Nationalmannschaft.
Sepp Maier, der sich schon während seiner aktiven Zeit als zweites Standbein ein großzügiges Tennis-Center zugelegt hat, bleibt dem Fußball jedoch weiter erhalten, und zwar in dem von ihm miterfundenen Beruf des Torwarttrainers. Er, der sich schon während seiner eigenen aktiven Laufbahn intensiv mit der Entwicklung eines speziellen Trainings für Torleute und mit der Verbesserung der Torwarthandschuhe beschäftigt hat (in den 60er und 70er Jahren noch völliges Neuland!), fungiert von 1988 bis 2004 für die Nationalelf als „Bundestorwarttrainer“ und von 1994 bis 2008 als Torwarttrainer des FC Bayern. Auf diese Weise hat Sepp Maier auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den Erfolgen der Nationalmannschaft und des FC Bayern in jenen Jahren (Nationalelf: Weltmeister 1990, Vizeeuropameister 1992 und Europameister 1996; Bayern: UEFA-Cup-Sieger 1996, Champions-Leagueund Weltpokalsieger 2001, dazu 8 Meisterschaften und 6 DFB-Pokalsiege). Der dreimal zum „Welttorhüter“ gewählte Oliver Kahn, der 14 Jahre lang von Sepp Maiers abwechslungsreichem und kreativen Torwarttraining profitierte, ist noch heute voll des Lobes über die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem humorvollen Urbayern, den man aufgrund seiner Geschmeidigkeit auch „die Katze von Anzing“ nannte.
2014 wird Sepp Maier, der auch gerne Tennis und Golf spielte, in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ und 2018 in die Erste Elf der „Hall of Fame des deutschen Fußballs“ aufgenommen. Außerdem wird er zu „Deutschlands Torhüter des Jahrhunderts“ gewählt. Seine Leistungen in den 473 Bundesligaspielen für die Bayern wurden vom „Kicker“ 78 Mal mit der Note 1 und 278 Mal mit der Note 2 beurteilt, eine 5 oder gar eine 6 erhielt er kein einziges Mal (Notenschnitt: 2,10). Sepp Maier ist in zweiter Ehe verheiratet und hat eine Tochter aus erster Ehe.
Foto (Wikipedia): Sepp Maier mit dem WM-Pokal auf der Ehrenrunde im Münchner Olympiastadion nach dem 74er Finalsieg gegen Holland
Norbert Voshaar [Lit.: Sepp Maier: “Ich bin doch kein Tor“ (1980) / Kicker: „Legenden & Idole: Sepp Maier“ (2019) / Kicker-Almanach 1981 (1980) / Wikipedia]